Kapitel 4
Chaos in Manhattan
Auf dem Highway konnte ich mich etwas entspannen. Ironischerweise ist, wenn du dich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hältst, auf der Interstate die Gefahr geringer, dass du herausgewunken wirst, als auf einer Seitenstraße. Autobahnstreifen und Bundespolizei haben auf den großen Straßen keine Schwierigkeiten, ihre Quoten zu erfüllen, weshalb Stichprobenkontrollen weniger häufig sind.
Allmählich wandte sich meine Aufmerksamkeit wieder meiner Lieferung zu. Es schien alles ziemlich einfach zu sein – der Klub, in dem die Mädchen ihre Show zeigen sollten, hatte eine schicke Manhattaner Adresse. Ihre Vorstellung dauerte etwa zwanzig Minuten, was uns für weniger als eine Stunde ohne Schutz ließ. Aber immer noch stank mir etwas an diesem Geschäft, egal, aus welcher Richtung ich es auch betrachtete. Es war nicht die Eile, mit der Myra abgerichtet werden musste, wir waren auch schon früher ähnliche Risiken mit Sklavinnen eingegangen, die noch nicht völlig unter unserer Kontrolle waren. Ich glaube, es waren die Details, die die Alarmklingeln bei mir schrillen ließen. Warum wurde gerade mit Myra solch eine Scheiße veranstaltet? Kitten hatte bewiesen, dass Doc fast alles herausfinden konnte, wenn er genug Zeit dazu hatte, und diese Millionen Dollar, die Myra angeblich gestohlen hatte, mussten ja schließlich irgendwo sein. Unser Kunde hätte Doc das Geld finden und ein großer Held werden können – Doc hätte sicher nichts dagegen gehabt, ein paar Millionen für sich selbst abzuzweigen. Warum sollte sich Myra also auf der Bühne selbst demütigen, wenn er eine viel handfestere Rache kriegen könnte? Warum fand diese Vorstellung überhaupt statt?
Es kam noch dazu, dass es sechs Wochen gedauert hatte, JoJo zu brechen. Das machte sie in meinen Augen zu einer außergewöhnlichen Person – ich hatte meine Zweifel, dass ich Doc so lange widerstehen könnte. Wieso arbeitete so jemand als Persönliche Assistentin?
Fragen über Fragen und keine Antworten in Sicht.
Ungefähr eine halbe Stunde vor Manhattan hielt ich an einer meiner üblichen Pausenstellen an und traf die letzten Vorbereitungen. Myra wehrte sich ein bisschen, als ich ihr das Beruhigungsmittel zum Brechen ihres Willens gab, dann setzte ich mich und beobachtete sie ein paar Minuten lang. Docs Drogen waren extrem experimentell, das mussten sie auch sein, es ist schwer, eine FDAZulassung1 für Drogen zu bekommen, die die Empfängerin versklaven. Docs Labor stellt die Drogen in pharmazeutischer Qualität her, so dass es bei ihnen geringere Risiken als bei Drogen von der Straße gibt.
Ich sah zu, wie das Licht in ihren Augen langsam verblasste. Dann sah ich eine vereinzelte Träne, die ihr die Wange hinunterlief. Ich brachte das mit dem Inhalt ihrer Handtasche wieder in Ordnung – schließlich sollte sie an ihrem großen Abend gut aussehen. Sobald das Beruhigungsmittel wirkte, fühlte ich mich besser. Was immer uns auch passieren würde, ich musste mir auf jeden Fall keine Sorgen machen, dass Myra etwas Dummes anstellen könnte. Erleichtert machte ich mich wieder auf den Weg.
Wir überquerten schließlich die Hudson-Brücke und fuhren nach Manhattan hinein. Der »Blue Note Club« lag an der 28. West, nur ein paar Blocks vom Empire State Building entfernt. In den Dreißigern war das eine bedeutende Geschäftsgegend gewesen und irgendwie waren ihr die Bausünden der Sechziger erspart geblieben. Jetzt war die Gegend etwas unübersichtlich, aber sie war immer noch nahe genug am Broadway, um zur Partygegend zu gehören.
Ich war über eine Stunde zu früh dran, deshalb fuhr ich noch eine Weile durch die Gegend, hauptsächlich aus Sicherheitsgründen. Wenn Myra ausrastete hätte ich lieber, dass sie das in der Limousine tat. Aber Docs Drogen schienen zu wirken. Inzwischen machte sie den Eindruck eines großen Plastikroboters, ich konnte sie auf Befehl dazu bringen, nach rechts oder links zu sehen. Als ich das nächste Mal am Club vorbeikam, sah ich erleichtert, dass der Seiteneingang frei war. Roboter oder nicht, wenn es Schwierigkeiten geben würde, dann hier, wo die Sklavinnen zum ersten Mal die Freiheit riechen konnten.
Soweit ich sehen konnte, schien der Club einen auf schäbig und Bohemien zu machen. Die Fenster waren mit stilisierten Jazzmusikern und ihren Instrumenten bemalt, so dass man nicht hineinsehen konnte. Ich fuhr noch einmal um den Block und war milde überrascht, dass mich meine Instinkte dazu drängten, wegzulaufen. Gewöhnlich hörte ich auf sie, aber heute Abend wischte ich alles wegen Docs großzügiger Lieferprämie weg.
›Ja, aber was nützt eine Prämie, wenn du nicht mehr am Leben bist, um sie auszugeben?‹ meldete sich ein kleiner Rest meines Verstandes.
›Okay, schön. Ich habe zu viele unbeantwortete Fragen, um jetzt den Schwanz einzuziehen.‹
›Sei nicht so neugierig.‹
›Besser ein toter Held als eine lebende Pussy.‹
Damit meldeten sich meine Instinkte ab. Ich blickte wieder auf die Uhr – immer noch eine Stunde zu früh. Die Lichter im Club waren an, aber die Gegend drumherum sah noch ziemlich ruhig aus. Wahrscheinlich war noch nicht geöffnet. Ich stellte mir vor, die Mädchen hineinzubekommen, wenn die Gasse voller Leute war, und zuckte zusammen. Sie jetzt, wenn alles ruhig war, hineinzubringen, schien mir viel besser zu sein – ich war sicher, dass unser Kunde ein ruhiges Plätzchen für uns finden würde, bis die Show begann.
Ich parkte an einer ruhigen Stelle und drehte mich zu den Mädchen um. Myra saß wie ein Zombie neben der etwas lebhafteren JoJo. Ich sah die Kleinere der beiden lange an, anders als Myra schien Docs Konditionierung bei ihr zu funktionieren. Das unsichere Gefühl kam wieder, stärker als jemals zuvor. Ich dachte darüber nach und sagte mir, falls meine Instinkte recht behielten, wäre ein zusätzliches As im Ärmel nicht schlecht.
Ich griff in mein Gepäck und holte meine Ersatz-9-mm und ein zweites Magazin heraus. »JoJo«, sagte ich ruhig, »nimm deine Handtasche und öffnete sie.«
Sie tat es.
»Und jetzt möchte ich, dass du mir gut zuhörst.«
JoJo sah mich mit aller Unterwürfigkeit an. »Ja, Master?«
»Ich werde dies hier in deine Handtasche tun.« Sie blickte kurz auf die Waffe und das Magazin, als ich sie in die Handtasche tat. »Sie sind ziemlich schwer, also musst du das ausgleichen. Es soll so aussehen, als wäre die Handtasche leicht. Du wirst sie tragen, als wäre sie ein Teil deines Arms. Wenn dich jemand fragt, ob du eine Waffe hast, antwortest du mit Nein. Wenn jemand die Tasche von dir haben will, fragst du mich erst um Erlaubnis – wenn ich nicht da bin, sagst du Nein. Du wirst die Tasche oder die Waffe nur mir geben. Ist das klar?«
»Ja, Master.«
»Gutes Mädchen.« Ich streichelte sie unter dem Kinn. »Jetzt, Myra, du wirst folgendes tun …«
Der Seiteneingang des »Blue Note«-Clubs befand sich in einer ruhigen Seitenstraße der 28. West. Ich erwartete, dass die Sicherheitsleute des Clubs ziemlich gut sein mussten, denn eine Menge Spieler kamen hierher; der Lincoln sollte hier also erst einmal sicher genug geparkt sein. Doc hatte mir für JoJo einen Mantel mitgegeben, der ihr perverses Kostüm bis zum Beginn der Show verbergen sollte. Ich war ziemlich zuversichtlich, dass die Handtasche darunter nicht auffallen würde.
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen zum Seiteneingang. Ich klopfte einmal und stand diesem Schrank gegenüber, etwa sieben Fuß hoch und genauso breit, der die Tür öffnete. Weiß, braunes Haar mit grauen Stellen, fast bis auf den Schädelknochen kurzrasiert, hatte er keinen Hals, keine Zähne und sah aus, als wäre er schon im Kindergarten der Vollstrecker gewesen. Es war doch besser gewesen, die Waffe bei JoJo zu lassen. »Ja?« grunzte er.
Ich wies auf die Mädchen. »Ich bringe den Spezialauftritt.«
Es dauerte fast eine Minute, bis er genug Gehirnzellen beisammen und das verarbeitet hatte, dann trat er zurück. »Toby, sie sind da.«
Es stellte sich heraus, dass Toby ein gertenschlanker Typ Anfang dreißig war. Verglichen mit seinem Freund an der Tür war er ein Stock mit Muskeln. Aber ich konnte sehen, dass diese Muskeln in ausgezeichneter Verfassung waren und ich bemerkte die wachsame Art, mit der seine Augen ständig die Umgebung kontrollierten. Es gab keinen Zweifel – auf den hier musste ich achten.
Er musterte mich und stellt vermutlich die gleichen Betrachtungen an wie ich. »Hast du was dabei?« fragte er freundlich.
»Scheiße, ja.« entgegnete ich. »Das ist New York, mein Freund. Wenn du keine Waffe dabei hast, hält dich die Polizei an und gibt dir eine.«
Toby lächelte, zeigte einen Satz perfekter Zähne und hielt die Hand auf. Als ich zögerte, blieb sein Gesicht freundlich, aber ich konnte spüren, wie die Temperatur fiel. »Weißt du, mein Freund, es ist noch ziemlich früh und ich habe keine Lust, mit deinem Gehirn meine Schuhe zu putzen, also solltest du etwas weniger schneidig tun. Der Boss ist heute Abend ein bisschen nervös, also reich deinen Erbsenpuster ‘rüber und alles ist cool. Wenn du das nicht tust, müssen wir, um es mit den Worten des Masters zu sagen, deinem Arsch mittelalterlich kommen.« Das Grinsen wurde eine Kerbe kühler. »Keine Sorge, du kriegst dein Spielzeug wieder, wenn du gehst.«
Widerwillig griff ich ins Halfter und holte meine 38er heraus.
»Vielen Dank, sehr freundlich. Jetzt lehn dich gegen die Wand.«
Ich kannte das. Er durchsuchte mich gekonnt und fand den Revolver in meinem Knöchelhalfter sofort.
»Ungezogen, ungezogen – eine Taschenrakete mitbringen und mir nichts davon sagen.« spottete er.
»Du kannst niemanden verbieten, es zu versuchen.« murmelte ich über die Schulter.
»Wollen wir wetten?« Aber dann richtete er sich auf und nickte dem Schrank zu. »Er ist sauber.«
JoJo war schon fast durch. Sie war gerade zwischen den beiden, als Toby sie anhielt. »Die Küken auch.« schnappte er.
Ich spürte, wie mein Herz in tiefere Regionen rutschte. »Schön«, sagte ich schnell, »aber du wirst nichts finden. Wir lassen unsere Sklavinnen nichts transportieren.«
Toby grinste und griff nach JoJos Handtasche, und in diesem Moment hätte ich Myra küssen können. Sie machte genau das, was ich ihr befohlen hatte – ein Licht erschien in ihren Augen, sie ging ab wie ein Pavian und rannte mit diesen unmöglichen Absätzen die Straße hinunter. Mit einem Knurren rannte Toby ihr nach und ich sofort hinterher. Glücklicherweise erreichte ich sie als Erster und hechtete mich auf sie. Sie öffnete den Mund, um loszuschreien, aber Tobys Hand hielt ihn zu. Zusammen schafften wir sie nach drinnen, bevor irgend
jemand etwas merkte (nicht dass viele Leute sich um so etwas gekümmert hätten – das ist schließlich New York).
»Scheiße, Mann, mir wurde gesagt, die Huren sind abgerichtet?« schnaufte er mürrisch.
»In ihrem Fall TEILWEISE abgerichtet.« keuchte ich zurück. »Dein Boss wollte sie so, bevor die hier vollständig fertig gestellt ist. Das Einzige, worauf wir uns bei ihr verlassen können, ist, dass sie ihren Auftritt drauf hat.«
Wir brauchten eine Minute, um wieder zu Atem zu kommen und mein früherer Verdacht verstärkte sich – was immer er auch jetzt machte, mein neuer Freund Toby war irgendwie auch bei den Special Forces gewesen. Er war kein Marine – wir erkennen einander im Allgemeinen – aber er war dabei gewesen, vielleicht bei den Green Berets oder den Fallschirmjägern. Wenn heute Abend etwas schief ging, würde das die Dinge nicht gerade vereinfachen. Dank Myras Ablenkungsmanöver hatte es aber wenigstens JoJos Handtasche mit ihrem wertvollen Inhalt über die Grenze geschafft.
»Folgt mir.« befahl Toby und ging zur Vorderseite des Hauses. Ich trieb die Mädchen vor mir her und sah mich gut um. Dies hier war definitiv nicht der Backstage-Bereich eines gutgehenden Nachtclubs, selbst wenn er noch nicht geöffnet hatte – die Luft roch abgestanden und staubig, als wenn eine ganze Weile niemand hier gewesen wäre und ich bemerkte Poster und alte Eintrittskarten, die im Korridor herumlagen. Die meisten trugen ein Datum von vor drei Monaten, so lange, wie ein hervorragender Standort wie dieser unvermietet bleiben konnte.
Als wir den Hauptsaal betraten, vertiefte sich dieser Eindruck noch. Die meisten Tische waren staubbedeckt, aber im hinteren Bereich gab es Anzeichen für eine Renovierung. Soweit ich das sagen konnte, schien die letzte Renovierung des Clubs in den Achtzigern stattgefunden zu haben. Er hatte dieses Yuppie-Club-Topicana-Aussehen, all diese Bambusmöbel und Gummibäume aus Plastik. Ich begann zu glauben, dass der »Blue Note«-Club erst noch zu dem werden sollte, was er darstellte.
Eine der ärgerlichsten Einrichtungen in solchen Clubs in den Achtzigern war eine kleine Insel auf einem Podest, gerade groß genug für ein paar Tische, die an eine Seite der Tanzfläche angebaut war. Früher war das der Platz, wo die Reichen und Schönen saßen, damit jeder sie bewundern konnte. Jetzt stand dort im Winkel zur Bühne eine große, komfortable Couch. Auf ihr saßen ein Mann und eine Frau und widmeten sich ihrem Drink.
Der Mann war schwarz, Mitte oder Ende dreißig, gut mit Muskeln ausgestattet, aber nicht so, dass man darüber gleich ‘ne Karte nach Hause schreiben würde. Er hatte einen einfachen Smoking an und sah aus, als wäre er gerade einem James-Bond-Film entstiegen. Die Frau war exotischer, vielleicht zehn Jahre jünger als ihr Partner. Lange blonde Haare fielen über ein Lederkleid, das eine Art Leibchen wie ein Korsett hatte und ihre Figur gut modellierte. Aber die außergewöhnlichste Sache an den beide war, dass sie maskiert waren. Er trug eine Einbrecher-Maske, die den oberen Teil seines Gesichts verdeckte,
während sie so ein großes Lederdings mit Aussparungen für ihre Wangenknochen bevorzugte. Zusätzlich trugen beide Handschuhe, er ein Paar offene Chaffeurhandschuhe, sie lange, schwarze Opernhandschuhe aus Leder. Ein vorsichtiges Paar, dass offenbar nicht identifiziert werden wollte.
»Ah«, sagte der Mann, als wir eintraten, »Sie sind zu früh.«
Seine Stimme hatte ein gebildetes Bostoner Näseln, das etwas anderes überdeckte – ich würde sagen, kalifornisch, aber in Harvard erzogen. »Würden Sie einen Champagner nehmen?« Er hob eine Flasche in einem strategisch platzierten Eiskübel an.
»Ich lächelte. »Nein, danke – ich muss noch fahren. Aber eine Coke würde ich nicht ablehnen.«
Mister Yuppie schien verwirrt zu sein. Ich glaube, er hatte gedacht, dass weiße Sklavenhändler wie die Gangster in den Filmen sind – ruhig, hart und schwer am Trinken. »Toby?« fragte er.
Der schwarze Mann ging zu der hinter der Couch versteckten Kühlbox und tauchte Sekunden später mit einer Dose Diätcoke wieder auf. Er warf mir die Dose zu und plötzlich hatte ich eine glänzende Idee. Normalerweise öffne ich eine Dose, indem ich die obere Lasche erst ein wenig anhebe und das Gas herauszischen lasse, aber jetzt riss ich die Lasche mit einem Ruck auf. Ein Schwall von Schaum ergoss sich auf meine Hand. Fluchend ging ich hinüber zu JoJo und trocknete meine Hand an ihrem Mantel.
»Tut mir leid, Mann.« sagte Toby heuchlerisch.
»Kein Problem.« entgegnete ich. ›Danke, du Schmock‹, setzte ich in Gedanken hinzu, ›jetzt bin ich nahe genug an ihrer Handtasche, falls irgend etwas falsch laufen sollte.‹
In der Zwischenzeit betrachtete ich unsere Gastgeber. Zuerst sahen sie wie ein Yuppie-Pärchen bei irgendwelchen wilden Machtspielchen aus, aber da war noch etwas anderes, etwas Beunruhigendes an ihnen, das ich noch nicht recht einschätzen konnte. Die Haare auf meinem Nacken sträubten sich, als Adrenalin in mein System gepumpt wurde.
»Also, mir wurde gesagt, dass die Mädchen während der Party eine Vorstellung geben sollen?« sagte ich, zu Myra und JoJo nickend. »Können wir hier irgendwo warten, bis es soweit ist?«
»Dies hier IST die Party.« antwortete die Frau und streichelte mit ihrer lederbehandschuhten Hand das Glas, aus dem sie ihren Wein schlürfte. Ihr Akzent war reinstes Mayflower, jedes Wort in zweihundert Jahren Privilegien gerollt, bis es vor Geld nur so triefte. »Eine sehr … private Party.«
»Sollen wir anfangen?« fragte der Mann und räusperte sich. »Schließlich haben Sie eine lange Rückfahrt.«
Ich blickte zur Bühne. Auf ihr standen ein Stuhl und ein Schreibtisch, komplett mit Telefon und Wechselsprechanlage. Ich bemerkte auch eine kleine 8-mm-Videokamera auf einem Stativ. Wenn ich das schnell hinter mich bringen konnte, hätte ich noch ein paar sichere Stunden, in denen Myras Beruhigungsmittel wirkte.
»Warum nicht?« sagte ich. »Wenn Sie fertig sind?«
Der Mann nickte und ich wies die Mädchen zur Bühne. Ich wollte ihnen folgen, aber Toby hielt mich an und zeigte auf die Kamera. So konnte ich nur zusehen, wie Jojo und ihre Handtasche sich immer weiter entfernten.
Als sie in Position waren., stieß die Frau hervor: »Fangt an!«
Sofort begannen sie ihren Dialog, der immer noch so doof war und gingen dann zur lesbischen Szene über. Die Drogen schienen Myra einiges an Begeisterung zu nehmen und das Streicheln und Lecken schien nicht so einseitig zu sein wie vorher. Beide Mädchen hatten die gleiche Chance und ein kleiner Kampf entbrannte darum, welche den Kitzler der anderen länger reizen konnte. Myra kam am Besten voran und ihre Zunge tanzte über JoJos Schlitz. Das blonde Mädchen versuchte, gegenzuhalten, aber der Kampf war schon verloren. Sie begann ihren Orgasmus mit einem Schrei der Enttäuschung.
Mit Mühe wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder unseren Gastgebern zu. Den Mann machte die Vorstellung an, was keine Überraschung war, das würde jeden Mann anmachen. Der Blick der Frau war weniger eindeutig. Ich konnte sehen, wie ihre behandschuhten Finger tief in ihrer Pussy wühlten, aber da war etwas an diesem Blick, eine Art blanker Hass, der zu intensiv war, als dass man ihn vollständig erfassen könnte. Plötzlich wusste ich, dass die ganze Sache schlecht enden würde und wollte nur noch diese Waffe.
Mit einem Schrei kam Myra. Ich bemerkte, wie die Frau schauderte und wusste, dass sie auch gekommen war.
Ich signalisierte den Mädchen, herunter zu kommen und drehte mich zu den Zuschauern um. »Madame et Monsieur, damit ist unsere Vorstellung beendet. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir für Auftritte in Clubs von Groß-Manhattan zur Verfügung stehen. Ich danke Ihnen und wünsche eine gute Nacht.«
Ja, ich weiß, dass das blöd klingt, aber JoJo war als Zweite von der Bühne gekommen, so dass die Waffe immer noch außer Reichweite war. Ich musste Zeit gewinnen. Sie begann, Myra einzuholen, und gleich …
»Warten Sie!« sagte der Mann. »Die Party ist noch nicht vorbei. Joanne, komm her.«
JoJo gehorchte glücklich – Fickspielzeuge gehorchen jedem mit einer Kommandostimme. Ich konnte nur zusehen, wie sie und ihre Handtasche zur Couch gingen. Ich bemerkte, dass Toby sich strategisch rechts neben seinen Boss platziert hatte. Der weiße Kerl, den ich liebevoll »Ugg, der Barbar« genannt hatte, stand hinter der Bühne neben der Tür. Dort, wo angefangen worden war, zu renovieren, registrierte ich ebenfalls eine Bewegung. Es war eine klassische Einkreisung und die Tatsache, dass sie es jetzt taten, zeigte, dass die Dinge in Bewegung gerieten.
Der Mann machte seinen Reißverschluss auf. JoJo brauchte keine weitere Aufforderung, sie sank auf ihre Knie und nahm seinen Schwanz zärtlich zwischen ihre Lippen. Wie alle Mädchen Docs hatte sie eine wundervolle Technik, ihre Zunge zu benutzen, zu saugen und Druck und Reibung mit größter
Wirkung zu dosieren. Sie machte es langsam und baute die Erregung auf. Die Frau sah neidisch zu und zog dann ihren Lederrock hoch.
»Myra. Komm her.« gurrte sie.
Myra setzte sich in Bewegung, aber dann stieß der Kerl JoJo mit einem Stöhnen beiseite. »Nein, dieses Miststück gehört mir!« murmelte er und stieß JoJo grob zu der Frau. »Nimm die hier.« Er winkte Myra herüber und bekam endlich mit, dass ich noch immer da war. »Ist es nicht besser, wenn Sie gehen?«
»Ich muss die Mädchen zurückbringen«, sagte ich, »so ist die Regel bei uns.«
»Wir haben unsere Meinung geändert.« sagte er mit steifer Stimme. »Wir waren von der Vorstellung so beeindruckt, dass wir beschlossen haben, sie zu behalten.« Er wandte sich der Frau zu. »Stimmt doch, meine Liebe, oder?«
Die Frau stöhnte gerade. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und die Augen geschlossen. Eine ihrer Titten hatte sie aus dem Ledermieder herausgeholt und rollte die Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Unten, in Höhe ihrer Taille, war JoJos Gesicht tief in ihrer Pussy vergraben, die talentierte Zunge der Sklavin baute allmählich einen explosiven Orgasmus auf.
»Wir habe für sie bezahlt«, fuhr der Yuppie mit scharfer Stimme fort, »ich sehe da kein Problem.«
Ich versuchte, mitfühlend zu blicken, während ich mir darüber klar zu werden versuchte, was um uns herum passierte. »Aber sie sind noch nicht fertig – Ihre Zeitvorgabe war zu gering. Wenn Sie sie wollen, haben weder ich noch meine Partner ein Problem damit, aber Sie müssen uns noch einen Monat oder so geben, um die Ausbildung abzuschließen.«
Ich wusste noch während ich das sagte, dass er ablehnen würde. Ich wollte Toby zum Zeugen für Myras Instabilität anrufen, aber ein kurzer Blick zeigte, dass er von den zwei Frauen völlig hypnotisiert war. Das war ein Vorteil für mich, den ich nicht verschenken durfte.
Myra hatte begonnen, den Schwanz des Kerls zu bearbeiten und seine Konzentrationsfähigkeit begann zu schwinden. Er seufzte vor Lust.
»Ich hatte gehofft, dass ich das hier nicht tun müsste. Zu viele Verbindungen zur Bank …« Er stöhnte, als Myra den Reiz erhöhte. »Aber wenn Sie darauf bestehen – Toby, wir müssen unseren lästigen kleinen Freund hier loswerden.«
Bingo. Ich bewegte mich schnell, aber nicht in direkter Linie zu der Handtasche, machte dabei einen Umweg von sechs Fuß nach rechts. Ugg konnte immer noch auf mich schießen, aber wenn er mich verfehlte, würde das Paar auf der Couch die Kugel abbekommen (natürlich nur, wenn Ugg smart genug wäre, das mitzubekommen). Ich war fast bei JoJo, als Toby seinen Blick losriss und nach seiner Waffe griff. Ich wusste, dass ich in Sekunden ein toter Mann sein würde und verstand plötzlich die Scheiße über Neugier und Katzen.
Dann biss Myra fest zu.
Selbst ich hätte das nie erwartet. In den Schwanz zu beißen war ein absolutes Tabu, etwas, was eine Sklavin einfach nie tat. Der Mann schrie vor Schmerzen, ein Geräusch fast so schlimm wie in Kittens Desorientiertheitskammer. Toby richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf Myras perlmuttweiße Zähne und mein
Gefahrenpotential fiel. Das war alles, was ich brauchte. Ich sprang über einen der abgedeckten Tische und warf ihn um, erfreut, dass er etwas solider schien als die Bambusstühle.
»JoJo«, schrie ich, »komm zu mir, JETZT!«
Die Sklavin war gerade dabei, den Schlitz der Frau zu lecken, aber sie vernahm den Befehl und hörte auf. Die Frau versuchte, sie zu packen, entweder, um sie an der Flucht zu hindern, oder um sie dazu zu bringen, weiter ihre Pussy zu lecken, ich wusste es nicht. In der Zwischenzeit hatte es Toby gerade geschafft, Myra vom Schwanz seines Bosses wegzuziehen, als die Schießerei begann und die Kerle im Hintergrund wild um sich ballerten. Er muss gemerkt haben, dass er möglicherweise unter Friendly Fire geraten konnte und schrie ihnen zu, aufzuhören. Die Gelegenheit nutzend, machte Myra eine Pause hinter der Bühne.
Inzwischen hatte ich die Waffe aus JoJos Handtasche gefingert. Meiner professionellen Meinung nach ging Toby die ganze Sache viel zu entspannt an, was vielleicht damit zusammenhing, dass er mindestens vier Bewaffnete gegen einen unbewaffneten Mann und zwei Sklavinnen hatte. Es war Zeit, diese Selbstzufriedenheit etwas zu erschüttern.
Mein erster Schuss traf Toby ins Bein. Ich hatte erwogen, ihn zu töten, aber der Rest der Schlägertypen war ohne Anführer vielleicht gefährlicher. Als nächstes feuerte ich zwischen die zwei auf der Couch. Trotz seiner Schmerzen reagierte Toby wie ein Profi – er sprang auf und benutzte seinen Schwung, um die Couch zurück zu schieben, wodurch er und seine Arbeitgeber hinter das Podest in Deckung fielen. Dadurch wurde auch die Kühlbox umgeworfen, was Eiswürfel über einen Teil der Tanzfläche verteilte.
Ich versuchte, so schnell wie möglich aus dem Saal zu kommen. Die zwei Kerle von hinten kamen schnell heran, aber das Eis würde sie etwas aufhalten. Toby war für den Moment kaltgestellt. Ich schoss auf Ugg, auf den Kopf, falls er eine schusssichere Weste trug. Als er umfiel schrie ich den Mädchen zu, loszurennen, gab ein paar Schuss als Rückendeckung ab und rannte hinterher.
Querschläger pfiffen durch die Luft, während ich die Frau schreien hörte: »Nicht ihn, ihr Idioten! Erschießt die Frauen, ERSCHIESST DIE FRAUEN!«
Dann waren wir draußen. Ich schaute nach Ugg, als wir an ihm vorbeirannten. Ein einziger Treffer genau über dem rechten Ohr. Nicht schlecht mit einer Pistole bei diesem Licht. Als wir durch die Bühnentür waren fand ich die Wagenschlüssel und drückte einen Knopf auf der Schlüsseltasche. Mit einem Klick öffneten sich die Türen und der Motor sprang an, es war ein bisschen wie bei James Bond. Die Mädchen warfen sich auf die Rückbank, während ich auf den Fahrersitz glitt – wenn sie in diesem Moment beschlossen hätten, zu fliehen, hätte ich sie nicht daran hindern können, aber sie mussten gemerkt haben, dass die Limousine der einzige sichere Platz für sie war.
Wir waren schon fast aus der Gasse heraus, als ein Schuss die Heckscheibe zertrümmerte. Ich stöhnte. Natürlich war die Limousine nicht kugelsicher – wenn du nicht der Präsident oder Al Capone bist, brauchst du so etwas nicht – es war aber trotzdem ein Schock. Mindestens zwei weitere Kugeln trafen den Wagen, bevor wir weg waren.
Ich machte im Verkehr ein paar schnelle Schlenker. Ich hatte auf der Gasse keinen weiteren Wagen gesehen, mit etwas Glück würde es eine Weile dauern, bis sie uns verfolgten. In der Zwischenzeit waren wir in einer beschissenen Situation – ich saß in einer offensichtlich bei einer Schießerei beschädigten Limousine, fuhr zwei nicht zu hundert Prozent kooperative Sex-Sklavinnen durch New York und hatte ein sexbesessenes Yuppie-Pärchen und seine Privatarmee im Nacken. Ja, das hatte schon was.
Natürlich hatten Doc und ich für Fälle wie diese eine Standardprozedur ausgeknobelt. Was ich jetzt tun sollte, war einfach: ich musste eine ruhige Gasse finden, die Sklavinnen erschießen und die Limousine anzünden. Ich hatte einen Führerschein bei mir, nicht meinen eigenen, aber einen, der ausreichte, um ein Auto zu mieten und aus der Stadt zu kommen. Dann konnte ich organisieren, dass Doc oder Kitten mich abholten. Doc und ich hatten immer darin übereingestimmt, dass keine Sklavin es wert war, die gesamte Organisation zu gefährden.
Aber … Ja, es gibt immer ein »aber«. Ich blickte in den Rückspiegel. Die Mädchen hatten sich wie Kinder zusammengerollt und sahen nicht wie SexSklavinnen aus. Ein Teil von mir musste widerwillig anerkennen, dass ich ohne die zwei jetzt tot wäre, was es schwierig für mich machte, sie loszuwerden. Außerdem hatten die Bösen sie töten wollen und das Letzte, das ich wollte, war, diesen Primitivlingen einen Gefallen zu tun.
Eines war klar. Wir mussten von der Insel herunterkommen. Mittlerweile war es schon ziemlich spät und in Manhattan hatte die Wachablösung stattgefunden; die meisten Geschäfte waren geschlossen und die meisten Bars und Shows hatten geöffnet. Deshalb waren die Ausfallstraßen so ruhig, als ginge es auf drei in der Nacht zu. Ich hatte nicht viel Auswahl, also fuhr ich zum Holland-Tunnel. Ich hätte lieber eine Brücke genommen, Tunnel gehen einfach zu schnell in Flammen auf, wenn du mit einem derart beschädigten Auto hindurchfährst, und ich wusste, es wäre ein Wunder, wenn ich heil auf die andere Seite käme. Aber die einzigen Alternative wäre gewesen, anzuhalten und ein neues Auto zu besorgen oder durch ganz Manhattan zur Queensboro-Brücke zu fahren. Keine dieser Möglichkeiten war zur Zeit sonderlich attraktiv für mich, also nahm ich die Ausfahrt zum Tunnel.
»Wie geht’s dahinten?« fragte ich.
»Ich bin in Ordnung, Master«, antwortete JoJo, »aber Myra ist etwas seltsam.«
»Verdammt.« Ich sah noch einmal in den Spiegel. Myra schaukelte langsam vor und zurück und murmelte irgendwas. »Ist sie getroffen worden?«
»Nein, Master, ich glaube nicht.«
Ich grunzte. Docs Beruhigungsmittel sollte noch eine Stunde oder so wirken, aber hatte ich meine Zweifel, dass eine Myra ohne Drogen weiter kooperieren würde.
»JoJo, hör mir zu. Die Fesseln, die ihr heute Morgen getragen habt, sind in einem kleinen Fach neben dir. Ich will, dass du sie herausholst und Myras Hände und Füße fesselst, OK?«
Gehorsam öffnete JoJo das Fach und begann, Myras Handgelenke hinter ihrem Rücken zu fesseln.
»Gutes Mädchen«, lobte ich sie, »fessle sie gut und straff.«
Myra wehrte sich nicht, aber es war unklar, ob es deswegen war, weil JoJo sie fesselte oder ob sie einfach zu weggetreten war.
»Okay, jetzt nimm den Knebel und steck ihn ihr in den Mund. Schnall ihn genauso straff fest.«
Myra protestierte ein bisschen dagegen, aber jetzt war es zu spät. Und der Boden vor der Rückbank war möglicherweise voller Glassplitter, aber da konnte ich jetzt nichts machen.
»Leg sie auf den Boden und decke sie mit deinem Mantel zu. Gut. Jetzt stelle dein Füße auf sie und drück sie ‘runter. Hör mir zu, JoJo – du musst Myra zugedeckt und auf dem Boden halten, ist das klar? Wenn sie hoch will, drück sie ‘runter.«
JoJo lächelte in den Spiegel. Docs Sklavinnen werden sexuell erregt, wenn sie Befehlen gehorchen. »Ja, Master.« sagte sie mit heiserer Stimme.
Im Inneren dankte ich der einfachen, treuen JoJo tausend Mal. Bisher hatte sie mich nicht ein einziges Mal enttäuscht. Ich gab das stumme Versprechen ab, dass ich, wenn wir das hier überlebt hatten, für sie einen freundlichen Master finden würde, der sich gut um sie kümmerte. Tabledancing in Juans mexikanischem Bordell würde nicht ihre Zukunft sein.
Ich fuhr eine ziemlich exzentrische Route zur Tunneleinfahrt. Ich gebe zu, dass das ein Risiko war, es gab Toby und seinen Jungs die Chance, mich zu überholen, aber die gute Beleuchtung und die Videoüberwachung würden sie davon abhalten, auf der Tunneleinfahrt etwas gegen mich zu unternehmen. Hoffte ich wenigstens.
Ich fuhr gerade an einer Baustelle vorbei, als etwas meine Aufmerksamkeit erregte. Es war eine dieser transparenten Plastikplanen, die sie dort als Regenschutz verwenden. Plötzlich hatte ich eine Idee. Ich hielt an, stieg aus, schnitt mit meinem Messer ein Stück der Plane ab und ging dann zum Kofferraum des Wagens. Ich hatte immer die Ausrüstung, die jeder in meinem Geschäft braucht, dabei, und weil Handschellen und Kragen gegenüber den Bullen schlecht zu erklären sind, benutzte ich Klebeband. Dieses Zeug ist für Sklavenhändler vielseitig einsetzbar. Wie ein Freund von mir sagte, ist es damit genau wie mit der Macht: es hat eine helle Seite, eine dunkle Seite und es hält das Universum zusammen. Ich stellte immer sicher, dass in Docs Fahrzeugen jeweils zwei Rollen vorhanden waren, eine weiße und eine schwarze. Weißes Klebeband ist gut für Knebel, es ist nicht annähernd so auffällig wie das silberne, während das schwarze für Fesseln verwendet werden kann, in einem dunklen Auto fällt das wiederum weniger auf.
Ich nahm das schwarze Band und klebte kleine Abschnitte über die Einschusslöcher in der Karosserie. Es sah beschissen aus, aber es war immerhin besser als das blanke, durchlöcherte Metall. Als nächstes klebte ich das Stück Plastikplane über das Heckfenster. Das sah auch beschissen aus, aber bei der heutigen Kriminalitätsrate bei Autos sieht man nicht selten Wagen mit notdürftig abgedeckten eingeschlagenen Fenstern. Zufrieden damit, dass wir jetzt mehr wie Opfer eines Unfalls oder Einbruchs aussahen, stieg ich wieder ein und fuhr weiter Richtung Tunnel.
Wir fuhren gerade auf der Zufahrt zu den Gebührenhäuschen, als ich den Wagen sah. Zuerst dachte ich, es wären die Bullen – der Wagen war ein brauner Taurus, und das FBI kauft ganze Flotten dieses Typs. Die aggressive Art, mit der sie sich hinter mir durch den Verkehr drängten, legte das auch nahe. Dann sah ich im Spiegel genauer hin. Die zwei vorne kannte ich nicht, aber hinten saß mein alter Kumpel Toby mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Ich sah nach vorn, checkte, wieviel Autos vor mir waren und sah die Gefahr. Wenn ich zum Bezahlen anhalten würde, wäre ich in der perfekten Position für einen »Auffahrunfall«. Wenn ich nicht anhielt, würden die Bullen schon auf der anderen Seite auf mich warten.
Mir blieb nur eine Chance. Langsam fuhr ich auf die Schranke zu und steuerte dabei auf den rechten Fahrstreifen zu. Wie ich erwartet hatte, begann der Taurus, sich links neben mich zu drängen. Das Timing wurde etwas kritisch. Wenn wir anhielten, um zu bezahlen, konnten sie mich leicht erschießen. Es sei denn …
Dann geschah, was ich brauchte. Ein Volvo in der Spur links von mir wurde etwas langsamer. Ich legte den Lauf meiner Waffe auf die Fenterumrandung und konzentrierte mich auf mein Ziel. Der Abstand war das Entscheidente. Ich schoss und traf den hinteren Reifen des Volvos. Der Wagen hielt an, blockierte damit seine Fahrspur und weil der Taurus auch in dieser Spur fuhr, musste er ebenfalls anhalten. Der Wagen vor mir fuhr durch die Schranke, ich rollte vor, nahm eine Handvoll Kleingeld und warf es in den Korb. Es war wahrscheinlich die Gebühr für fünfzig Autos, doch das interessierte mich wenig. Im Moment war ich noch am Leben.
Wir waren fast aus dem Tunnel heraus, als der Taurus wieder aufholte. Ich war nicht sehr besorgt darüber, ich wusste, dass Toby schlau genug war, um zu begreifen, dass er bessere Chancen hatte, wenn er abwartete, und dann hatte wiederum ich gar nicht so schlechte Chancen, sie abzuschütteln. Die Limousine war ein großer, schwerer Lincoln mit schlechter Beschleunigung, aber seine Höchstgeschwindigkeit war durchaus mit der des Taurus vergleichbar. Je schneller ich fahren konnte, desto besser waren meine Chancen.
Ich hatte eine Idee, wohin ich fahren konnte. Doc hatte einen Sammelplatz in einem Industriegebiet neben der I-280, dort hoffte ich, ein neues Auto vorzufinden und mich ein bisschen verkriechen zu können. Natürlich hing das davon ab, dass Toby mich dorthin kommen lassen würde. Überraschenderweise griff er mich nicht an, als ich durch die Nebenstraßen fuhr, um zur 280 zu
kommen. Vielleicht verfolgte er mich nur und wartete auf eine ruhige Stelle. Oder vielleicht mochte er Newark einfach nicht.
Auf jeden Fall waren wir auf einem ziemlich ruhigen Abschnitt der 280, als er seinen nächsten Zug machte. Ich fluchte, als ich das Geknatter einer automatischen Waffe hörte. Ein Gefecht von Auto zu Auto mit Handfeuerwaffen ist schwierig, selbst wenn der andere Kerl nicht ausweicht. Aber wenn du genug herumballerst, wirst du auch irgendetwas – oder irgendjemand – treffen.
»JoJo«, schrie ich, »leg dich auf den Boden zu Myra, JETZT!«
Sekunden später barst eines der Seitenfenster in einem Regen von Glassplittern. Ich blickte in den Spiegel. Der Taurus kam schnell näher. Ich versuchte, mein hinteres Ende auszuschwenken und ihn seitlich zu treffen, aber er war zu schnell. Um die Sache noch etwas lustiger zu machen, tuckerte vor uns ein Lastwagen her. Wundervoll.
Als ich das nächste Mal zum Taurus blickte, zielte der Typ auf dem Rücksitz auf uns mit etwas, was wie eine MAC-10 aussah. Ich hatte nicht die Absicht, das genauer herauszufinden und stieg auf die Bremse. Der andere Fahrer war gut, aber nicht SO gut, der Typ schoss auf mich und die Kugeln verfehlten mich um eine Meile. Für eine Minute kreischten beide Wagen musikalisch, dann beschloss ich, auch etwas zu unternehmen und überholte sie wieder. Irgendwie schaffte es der Revolvermann, auf die Limousine zu zielen und einige Feuerstöße abzugeben. Das Geräusch meines Motors änderte sich und ich betete zu Gott, dass es nur der Schalldämpfer war.
Es war Zeit für etwas völlig Verzweifeltes und Dummes. Es konnte eigentlich nur funktionieren, wenn ich in einem Sportwagen sitzen würde, so aber hatte ich gute Chancen, uns alle umzubringen. Als ich neben dem LKW war, sah ich nach der Marke – Peterbilt, genau was ich brauchte. Unter der Ladefläche befindet sich bei dieser Marke ein kleiner Metalltank mit einer Anzeige. Er ist der Vorratsbehälter für die Luftdruckbremse. Ich gab Gas und fuhr an dem LKW vorbei, immer daran denkend, dass Toby kurz hinter mir war. Als ich meinte, weit genug weg zu sein, drückte ich den Knopf für das hintere Seitenfenster. Der plötzliche kalte Luftzug hinderte mich nicht, als ich meine Waffe in den Tank entleerte.
Es half etwas, dass der Fahrer des LKW zur gleichen Zeit eine kleine Kurskorrektur machte, aber die Wirkung war wirklich erstaunlich. Der Tank explodierte und sofort sprachen die Bremsen des LKWs hart an, pressten sich gegen die Radachsen wie die Hand Gottes. Die Reifen rauchten und der Fahrer kämpfte mit quietschendem Anhänger darum, die Kontrolle über seinen Truck zu behalten. Er verlor die Kontrolle, der Anhänger überschlug sich, streifte das Heck der Limousine und schickte mich dabei fast von der Straße. Ich konnte nicht sehen, was mit dem Taurus geschah, konnte mir aber vorstellen, was passierte, als der LKW seitwärts auf den kiesbedeckten Seitenstreifen schlitterte und die Straße völlig blockierte. Crash-City.
Sobald mein Atem sich wieder normalisiert hatte, hielt ich Ausschau nach der nächsten Ausfahrt. Bis dorthin kroch die Limousine nur noch dahin, sie würde es wahrscheinlich nicht mehr lange machen. Als sie ihren Geist aufgab, waren wir weniger als eine Meile von der Ausfahrt entfernt. Glücklicherweise gab es dort einige große Steine und ich konnte den Wagen dahinter in Deckung schieben. Ich betete nur darum, dass Toby und seine Kumpel in schlechterer Verfassung als wir waren.
Nachdem ich den Wagen versteckt hatte, öffnete ich die Frontklappe, fluchte über die schmutzige Wolke öligen Rauchs, in der ich sofort stand und sah nach dem Motor. Wegen des schwarzen Ölteppichs überall war völlig klar, dass einer der Schüsse entweder den Motorblock oder eine Ölleitung getroffen hatte. Ich begriff, dass der Motor nur noch wenige Meilen machen würde.
Die schwere Entscheidung, die ich seit Manhattan vor mich her geschoben hatte, schien sich jetzt nicht mehr vermeiden zu lassen. Ich schob mein letztes Magazin in die Waffe, ging um das Auto herum und öffnete die hintere Tür. Unglaublich, beide Sklavinnen schliefen, zusammengekuschelt wie Kinder auf einer Schlummerparty.
»Ach, zur Hölle.« murmelte ich. Myra war natürlich immer noch gefesselt, so dass die Illusion mit den Kindern nicht perfekt war, aber nach dem, was wir alles miteinander durchgemacht hatten, konnte ich sie nicht einfach kaltblütig umbringen. Irgendwie würde ich sie Doc lebend zurückbringen.
Ich musste lachen. Allein zu Doc zurück zu kommen, war schon Herausforderung genug, aber wenn man bedachte, dass wir gerade so dem Tod von der Schippe gesprungen waren, keine Unterstützung und nicht einmal normale Klamotten für die Mädchen hatten …
Ich ging zurück zum Fahrersitz, holte eine Landkarte hervor und sah erst einmal nach, wo wir überhaupt waren. Ein Plan begann sich abzuzeichnen, als ich merkte, dass wir uns neben einer Wohnsiedlung befanden. Es war ein ziemlich verzweifelter Plan und Joe Q. Public war mehr darin verwickelt, als mir lieb war, aber ich hatte einfach keine Wahl. Ich blickte kurz nach hinten zu den Mädchen, startete den Motor und fuhr in Richtung unseres zukünftigen Asyls.